Ayhem hat eine Chance verdient
Ein junger Syrer im Salon Martin Seiler
Eigentlich gab es für Ayhem Hamza und seine Familie keinen Grund, ihre Heimatstadt Damaskus in Syrien zu verlassen. Gutsituiert haben sie gelebt, der Vater als staatlicher Angestellter, die Mutter, die vier Kinder. Einkommen und Eigentum waren vorhanden, ein gutes Leben also. Und dann kam der Krieg, der alles geändert hat. „Vier Jahre haben wir ausgehalten“, sagt Ayhem Hamza. Dann war alles zerstört, Die Wohnungen, die sie vermietet hatten zerbombt wie die eigene – sie mussten im Miete ziehen und das Leben wurde mit jedem Tag unsicherer.
Der Versuch, aus „normalem“ Weg, also mit Visum und Flugzeug das Land zu verlassen, scheiterte. Keine Chance. Das bedeutete dann doch die Flucht auf dem Weg, den die meisten Flüchtlinge wählten: Boote, Schiffe, über die Türkei nach Sizilien, danach auf dem Landweg nach München und schließlich nach Stuttgart.
Seine Eltern fanden eine Wohnung in Holzgerlingen, er selbst lebt in Altdorf und nun geht es in erster Linie darum, Deutsch möglichst gut zu erlernen. „Bevor wir geflüchtet sind, hatte ich das BWL-Studium begonnen. Mein Abitur wurde in Deutschland bereits anerkannt – aber studieren kann ich erst, wenn ich Deutsch richtig sprechen und schreiben kann“, sagt Ayhem Hamza.
In den Frisörsalon Martin Seiler kam er, weil es im Rahmen des Deutschkurses darum ging, ein Schülerpraktikum zu absolvieren. „Ich wollte mir etwas im kaufmännischen Bereich suchen – das scheiterte aber noch an der Sprache...!“ Da hat sich seine Lehrerin engagiert und für ihn den Platz im Frisörhandwerk gefunden. Das ist natürlich nicht sein Traumjob, aber er kann ihm durchaus etwas Positives abgewinnen: „Ich lerne hier sehr viel. Spreche mit den Leuten Deutsch, lerne neue Worte und kann mich immer besser verständlich machen. Auch schwäbische Begriffe sind dabei. Da lachen meine Freunde dann, wenn ich sie verwende....!“, schmunzelt er.
Martin Seiler ist sehr zufrieden mit der Arbeit des jungen Mannes. „Ayhem Hamza ist gepflegt, höflich und zuvorkommend, weiß sich zu benehmen und kommt bei meinen Kundinnen und Kunden sehr gut an. Nette Gespräche entwickeln sich – und ich finde, er hat eine Chance in Deutschland verdient!“
Dennoch: glücklich ist Ayhem Hamza nicht. Sein Herz hängt an seiner Heimat – und wenn er dort in Sicherheit leben und arbeiten könnte, würde er zurückkehren. Er spürt auch die Abneigung vieler Menschen hier, die Ausländer allgemein und Flüchtlinge im Besonderen, verachten. „Sie denken, alle Flüchtlinge sind böse, Verbrecher, solche die Deutschland ausnutzen – aber das stimmt nicht. Wir, meine Eltern und ich, sind nicht so!“
Natürlich vermisst er seine Geschwister mit ihren Familien, seine Kultur, sein altes Leben, sein Syrien und Damaskus. Das ist kein einfaches Leben für den 21jährigen im fremden Deutschland. Bleibt zu hoffen, dass er vor Anfeindungen und Angriffen bewahrt bleibt und sich seine zielstrebige und positive Lebenshaltung bewahren kann.
Text/Bilder: ast