Regenreiche Liebesgrüße aus Holzgerlingen
Der Holzgerlinger Herbst des Handels-und Gewerbevereins trotzt dem nasskalten Wetter und findet ein großes Publikum
Aus der Kreiszeitung / Böblinger Bote vom 06.10.2019
Als der Himmel am Nachmittag seine Schleusen öffnet, spült es den Geschäftsleuten die Kunden nur so zu den Ladentüren hinein. Das nasskalte Wetter hat also auch sein Gutes - zumindest in Holzgerlingen an diesem Sonntag: Es ist schließlich Holzgerlinger Herbst und seit 13 Uhr haben die Läden geöffnet.
Von Natalie Kaspar und Martin Müller
HOLZGERLINGEN. Sicher: Es gab schon Holzgerlinger-Herbst-Sonntage, an denen das Publikum in kurzen Hosen, Hemdsärmeln und Sandalen durch die Innenstadt flaniert ist. Gestern sind es dann eher die warmen Kittel und Regenschirme, die das Straßenbild bestimmen. Ob aber so oder so: Holzgerlingen ist proppenvoll. Und das Publikum kommt auch aus allen Ecken und Enden herbeigeströmt: Holzgerlinger, Altdorfer, Weilemer, Hausemer, Waldenbucher, Gärtringer, Ehninger, Böblinger, Sindelfinger, Magstadter, Maichinger und Leonberger: Alle geben sie sich hier ein Stelldichein. Ein Pläuschchen hier, ein freundliches "Hallo" da - die Stadt von der Schönbuchlichtung ist der Melting-Pot des Landkreises.
Blumenherzgirlande. Einen besonders netten "Liebesgruß aus Holzgerlingen" haben sich Seniorchefin Gisela Famula und Bärbel Kürschner vom Blumenhaus Schmidt in der Altdorfer Straße ausgedacht. "Zück' Dein Handy und mach' ein Foto", lautet die dezente Aufforderung neben einer zum Herz geformten Blütengirlande. Und immer wieder legen Spaziergänger einen Stopp ein und kommen der Einladung herzlich gerne nach: Auch die Holzgerlinger Edeltraud und Christoph Schill lassen sich da nicht zweimal bitten und stecken die Köpfe aus dem Blütenherz hervor - bis sie das Blitzlichtgewitter des Zeitungsreporters trifft.
Aus der Not eine Tugend gemacht. "Eigentlich haben wir das ja richtig im Freien machen wollen", sagt Eberhard Binder, Chef der Krone-Bäckerei. Aber Not macht bekanntlich erfinderisch - ein Slogan, der auch gut zum Holzgerlinger Standard passt. Und so wurde der Bäckerbesen mit Livemusik eben kurzerhand zum Nachbarn hinüber auf die andere Straßenseite verlegt: Die Unterstellplätze der diakonischen Jugendhilfe Mutpol bieten Schutz vor Wind und Wetter. Hier lassen sich die Kartoffelkuchen und die Eigenkreationen an Holzgerlinger Trüffeln in aller Ausgiebigkeit genießen.
Glasperlenspiel. Von den Regentropfen draußen völlig unbeeindruckt sind die Kunden drinnen im Glasgarten. Kaum geöffnet, ist der Laden auch schon gut gefüllt. Kein Wunder, hier ist es schön warm und statt Regen perlen nur die Glaskugeln, Glastropfen und Kronleuchter um die Wette. Dekorativer, transparenter Zauber, der das trübe Wetter draußen schnell vergessen macht.
Apfelmost. Bunte Äpfel und goldgelbe Birnen von den heimischen Streuobstwiesen schwimmen in einem großen Bottich auf dem Platz vor dem Heimatmuseum. Die Häckselmaschine daneben brummt bereits erwartungsvoll - und schon machen sich die Mitglieder des Vereins für Heimatgeschichte daran, den Früchten auch den letzten Tropfen ihres Safts zu entlocken. Dazu brauchen sie heute vor allem Muskelkraft: Denn die hölzerne Obstpresse muss von Hand betrieben werden. Trotzdem plätschert schon bald der erste handgemachte Most in einen großen Krug - und kann dann von den Besuchern entweder direkt vor dem Heimatmuseum probiert oder in kleine Kanister und mitgebrachte Flaschen abgefüllt mitgenommen werden. "Je mehr Birnen mit in die Presse gegeben werden, desto süßer wird der Most am Ende", verrät ein Vereinsmitglied den Zuschauern. Besonders die Kleinsten sind fasziniert von den alten Geräten und schauen mit großen Augen zu, während der Most munter aus der Presse plätschert. Allerdings: "Wir müssen uns die Äpfel auch ein bisschen einteilen, damit wir den ganzen Tag über auch was zu tun haben." Denn die Ernte ist dieses Jahr alles andere als üppig ausgefallen.
Einmal der Rathauschef sein. Wortwörtlich stehen an diesem Sonntag im Rathaus alle Türen offen und laden alle Interessierten dazu ein, einmal einen Blick hinter die Kulissen zu riskieren und die Stadt mit ihren verschiedenen Verwaltungsbereichen und Abteilungen aus der Nähe kennenzulernen - ohne Termin und Wartezeiten auch vor den Amtszimmern des Bürgermeisters. "Kommen Sie doch rein und setzen Sie sich", lädt Ioannis Delakos sowohl große als auch kleine Neugierige in sein Büro ein - und deutet bei diesen Worten nicht etwa auf einen der Stühle im Raum, sondern auf den Chefsessel hinterm Schreibtisch. Und als Erinnerung an das Probesitzen am wichtigsten Schreibtisch der Stadt gibt's dann außerdem noch ein persönliches Foto auf der Titelseite des Nachrichtenblatts. Und wer keine Lust hat, die Nase in Büros zu stecken? Der kann auch einfach einmal die Flure entlanggehen und sowohl Gemälde als auch Skulpturen betrachten, die im Rahmen der Ausstellung "Begegnungen Niesky - Holzgerlingen" pünktlich zum heutigen Tag im Rathaus eingezogen sind und noch bis Freitag, 18. Oktober, besichtigt werden können.
Gute Laune auf dem Rathausplatz. Obwohl sich die Sonne hinter den hartnäckigen grauen Wolkenbergen versteckt, sind die Bierbänke auf dem Rathausplatz bereits am Vormittag beinahe vollständig besetzt. Der Duft von frischem Kaffee und deftigen Speisen aus den Küchen der ortsansässigen Lokale und angeregte Gesprächsfetzen durchdringen die Luft. Selbst die durchwachsene Wetterlage kann die gute Stimmung nicht trüben - bei heiteren Gesprächen, leckerem Essen und mit den flotten Melodien aus den Instrumenten der "Schoabach Musikanten" wird die Kälte beim Frühschoppen schnell zur Nebensache.
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