Der Deckbulle steht friedlich zwischen den Kühen, die jungen Damen scheint der Herrenbesuch in ihrer Box kaltzulassen. Er hat seine Arbeit an diesem Morgen vermutlich bereits erledigt. Auf dem Bauernhof Mittlere Mühle der Familie Schmid am Ortsrand von Holzgerlingen Richtung Schönaich leben rund 1500 Tiere, darunter 50 Milchkühe und an die 70 Jung- und Masttiere.
Die Milchkühe sind ein wichtiges Standbein des landwirtschaftlichen Betriebs. „Eine Kuh bekommt meist drei bis vier Kälber. Nach sechs Jahren wird sie dann in der Regel geschlachtet“, erklärt Landwirt Georg Schmid. Ihm und seiner Frau Dagmar gehört der Hof. Seine Eltern Wilhelm und Martha Schmid hatten einst eine Nebenerwerbslandwirtschaft mit zehn Milchkühen im Ortskern und siedelten 1978 in die Mittlere Mühle um. An diesem Standort konnte der Betrieb wachsen – die Landwirtschaft wurde für die Familien zum Haupterwerb.
Die Tiere liegen Georg Schmid am Herzen. „Jede Kuh hat einen Namen“, sagt er beim Rundgang durch den Stall. Die Milch geht zum Teil an ein Milchwerk, das daraus verschiedene Milchprodukte herstellt. Ein Teil der Frischmilch wird im Milchautomaten auf dem Hof verkauft. Damit noch nicht genug: „Eine mobile Käserei macht aus unserer Milch Käse, der dann nach einer Reifezeit von vier bis sieben Wochen bei uns zu haben ist“, erklärt Robin Schmid. Er ist Fleischermeister, macht aktuell eine Ausbildung zum Nebenerwerbslandwirt und will später den elterlichen Betrieb zusammen mit seiner Freundin Anna Pfrommer übernehmen. Der 26-Jährige arbeitet in allen Bereichen mit. Dazu gehören auch 120 Hektar Felder und Wiesen, auf denen Winter- und Braugerste, Weizen, Silo- und Körnermais, Kartoffeln und Gras wachsen.
Direktvermarktung auf dem Hof
Robin Schmid führt seit sechs Jahren federführend die Direktvermarktung, mit der seine Eltern 2006 begonnen haben und die er noch ausgeweitet hat. Die Eier der rund 1000 Hühner, die in Bodenhaltung im Stall und im Sommer draußen auf der Weide leben, verkauft die Familie auf dem Hof, ebenso die selbst produzierte Wurst und das Rindfleisch. Alles stammt von eigenen Tieren, die in Oberhaugstett bei Neubulach, im Ausbildungsbetrieb von Robin Schmid, geschlachtet werden. Das Vieh bringt Robin Schmid selbst mit dem Anhänger zum Schlachthof: „Das ist für die Tiere stressfrei, weil sie mich und den Umgang mit mir kennen.“ Einzig das Schweinefleisch beziehen die Schmids vom Fleischmarkt in Gärtringen.
Im Hofladen und im Milchhäusle, das rund um die Uhr geöffnet ist, gibt es neben Wurst, Fleisch, Kartoffeln, Nudeln, saisonalen Fruchtaufstrichen und natürlich Milch unter anderem auch selbst gemachte Maultaschen, selbst gebrannten Schnaps und Eierlikör. „Die Direktvermarktung läuft sehr gut“, freut sich Robin Schmid. Das bestätigt sein Vater: „Die Leute schätzen das. Sie sehen hier, wie wir mit den Tieren umgehen und wie die Landwirtschaft läuft. Wer sich dafür interessiert, kann sich gerne bei uns anmelden und sich den Hof anschauen.“
Ein Blick in die „Kinderstube“
Den Schmids ist es ein Anliegen, zu zeigen, wo die Nahrungsmittel herkommen. Deshalb sind immer wieder Kindergärten und Schulklassen zu Besuch auf dem Bauernhof. Dabei gibt es viel zu entdecken. Ein besonderes Highlight ist die „Kinderstube“, die an den großen Kuhstall grenzt: Nach der Geburt verbringen die Tiere, die den Besucher neugierig beäugen, die ersten Wochen in Kälber-Iglus im Freien. „Dort sind die Kälber ständig an der frischen Luft“, erklärt Georg Schmid. Dreimal am Tag werden sie mit Milch getränkt.
Und was passiert mit den männlichen Kälbchen? „Sie kommen auf die Auktion und werden versteigert“, verdeutlicht Robin Schmid. Dass die Familie sich immer wieder von männlichen Kälbchen und von lieb gewonnenen älteren Tieren verabschiedet, ist Alltagsgeschäft, macht Georg Schmid klar. „Das gehört eben dazu“, sagt sein Sohn. Aber nicht allen Familienmitgliedern fällt es leicht: Die 18-jährige Laura Schmid will nicht auf dem Hof sein, wenn Kühe abgeholt und zum Schlachter gebracht werden. Schließlich verbringt sie abends, nach ihrer Arbeit als Konditorin, viel Zeit im Stall und versorgt unter anderem die Kälber. Derweil kümmert sich die 24-jährige Nicole Schmid, die Erzieherin in Holzgerlingen ist, zusammen mit ihrem Ehemann um die vier Regiomaten auf dem Hof.
Wellness für Kühe
Die Kühe – und auch die anderen Tiere – sollen bei den Schmids ein möglichst glückliches Leben haben, darauf legt die Familie großen Wert. Zum Wohlbefinden der Kühe tragen im Stall viel Licht, Luft und auch die Körperpflege bei: Die Tiere lassen sich von einer großen Bürste massieren, die sich 20 Stunden am Tag dreht. Es ist offensichtlich, dass sie das Wellnessprogramm genießen. Übrigens gefällt es nicht nur den Kühen in dem Stall, sondern auch den Schwalben. „Wir haben hier jedes Jahr 20 bis 30 Schwalbennester. Sie kommen jedes Jahr wieder“, sagt Robin Schmid. Eine Win-Win-Situation, denn: „Viele Schwalben bedeuten auch weniger Fliegen. Das ist gut, Fliegen sind für die Kühe ein Stressfaktor“, erklärt Georg Schmid, während er einer Kuh den Rücken tätschelt.
Zu sehen gibt es beim Besuch der Mittleren Mühle auch rund 30 Ziegen, die sofort angelaufen kommen, sobald Robin Schmid die Wiese betritt und sie ruft. Mit lautem Gemecker begrüßen die Tiere den 26-Jährigen. „Die Ziegen sind mein Hobby“, sagt er.
Esther Elbers

