Von Hammerschlägen und Höhenflügen
Aus der Kreiszeitung / Böblinger Bote vom 27.06.2016
Gewebe open des Handels- und Gewerbevereins Holzgerlingen darf als voller Erfolg verbucht werden – Selbst das Wetter spielt mit
Nach vier Jahren Pause ist in Holzgerlingen am Wochenende die siebte Auflage der Gewerbe open des Handels- und Gewerbevereins (HGH) über die Bühne gegangen. Es handelt sich um die größte Gewerbegebietsmesse der Schönbuchlichtung. Und die Besucher kamen vor allem am Sonntag in Scharen.
Von Martin Müller
HOLZGERLINGEN. Aus allen Himmelsrichtungen reisen die Gäste an – mit der Schönbuchbahn, dem Auto, per Pedes, mit dem Fahrrad oder auf dem E-Bike. Bei zwar kippeligem, aber immerhin trockenem und lauem Sommerwetter bevölkern sich die Straßenzüge am Sonntag mehr und mehr. Und als dann noch die Holzgerlinger Blechvegl mit ihrer Guggenmusik und die Traktorfreunde aus Weil und Waldenbuch mit ihren Schleppern und viel Töfftöff durchs Gebiet zünden, gerät die Gewerbe open endgültig zum echten Volksfest. Die Stimmung ist prächtig – auch unter den annähernd 70 ausstellenden Firmen und Vereinsvertretern.
Wetterkapriolen: Dabei hatte es zunächst gar nicht danach ausgesehen. Sowieso schien der HGH mit dem Wettergott bislang irgendwie in Clinch zu liegen – vor allen im Zusammenhang mit seinen Gewerbe-open-Plänen. Da gab es schon Jahre, in denen Eiswinde und Schneeflocken die Besucher von den Straßen fegten. Und als der Wettergott dann pünktlich zur Eröffnung der Schau am Freitagabend ein Tiefdruckgebiet von den britisch/brexitischen Inseln her über die Schönbuchlichtung pustete und barocke Gewitterwolke auf barocke Gewitterwolke türmte – da konnte einem schon angst und bange werden. Doch toi, toi, toi. Die miesepetrige Front ist schnell an Holzgerlingen vorübergezogen, das Wetter und der Himmel halten selbst am Samstag in den ersten drei Messestunden dicht und Petrus lässt das Thermometer auf angenehme 20 bis 22 Grad herunterpurzeln. Um 17 Uhr am Samstag braust dann aber doch ein Sturm auf und die meisten der Messegäste ziehen von dannen. Den Temperatursturz kommentiert der neue HGH-Chef Lennart Leibfried indes gut gelaunt: „Der Klügere gibt eben nach!“
Hammerschläge I: Gleich ein paar Grad wärmer wird es den Besuchern der Gewerbe open wieder am Messestand von Kunstschmied Ralf Notter und seinem Azubi Paul. Mit dem Blasebalg haben sie das Kohlenbett entfacht, um dann mit Wucht den Hammer auf den Ambos niedersausen zu lassen. Wie aus einem Stück Flacheisen ein prächtiger Schwan gezaubert werden kann, demonstriert der Altmeister seinem erstaunten Publikum. „Bei mir gibt’s lauter handgeschmiedete Sachen, nichts von der Stange“, erklärt der Kunstschmied aus Hildrizhausen. Und eine ganze Palette seiner schmiedeeisernen Kunststücke hat er gleich aufgebaut vor seinem Stand in der Max-Eyth-Straße: Schmucke Geländer, Sicherheits-Fenstergitter oder Musterstäbe für besonders filigrane Zaunelemente. „Alles wird individuell angefertigt und von Hand geschmiedet, ganz nach Kundenwunsch“, sagt Notter. Nur in Einzelfällen greift der Metallbauer auf vorgefertigte Werkteile von Schmiedekollegen in größeren Stückzahlen zurück – „dann wird’s etwas billiger“, so sein Kommentar.
Hammerschläge II: Dem Ruf als waschechter Familienbetrieb gerecht geworden ist das Fensterbauunternehmen Frasch. „Mensch Papa, du wirst ja noch zum richtigen Moderator“, meint Tochter Pia. In der Tat: Meister Thomas Frasch am Mikro kommentiert die lange vergeblichen Bemühungen seines Sohnes Tim, ein umlaufend mit Beschlägen versiegeltes Fensterelement aufzuwuchten oder das Sicherheitsglas zu durchschlagen. Tim, mit einem Kuhfuß-Brecheisen und schwerem Hammer ausgerüstet, drischt immer wieder auf das Fenster ein. Das macht zwar einen mordsmäßigen Radau, doch das Fenster hält geschlagene sechzehneinhalb Minuten Stand. Erst dann gelingt es dem Sohnemann, den Rahmen auseinanderzuhebeln und durchzubrechen. „Diese Fenster werden von der Kripo empfohlen“, sagt Thomas Frasch. Denn mit Sicherheitsbeschlägen und bruchsicherem Glas leisten sie zumindest so lange Widerstand, dass ein Einbrecher längst entnervt aufgegeben haben dürfte.
Messe-Shuttle und Bummelbähnchen: Zu einer Art Messeshuttle umfunktioniert wurde die Schönbuchbahn. Der HGH hatte tief in die Tasche gegriffen, um für den Sonntag eine Verkürzung der Bahn auf den Halbstundentakt zu ermöglichen. Mit Erfolg. Etliche Besucher reisen öffentlich zur Gewerbe open an. Und weil die Wege auch innerhalb des Messegeländes lang sind, hat der Adler-Express seinen Dienst aufgenommen – ein Bummelbähnchen, das unentwegt von der hinteren Tübinger Straße bis zum Gewerbepark Sol zuckelt und die Gäste hin und her kutschiert – ganz umsonst. Vor allem für Ältere und für Familien mit Kindern ist die gemütliche Fahrt eine willkommene Abwechslung und Verschnaufpause.
Hoch hinaus I: Besonders Waghalsige können sich beim „Off Road Center“ einen Adrenalinkick geben, wie er sonst allenfalls von Achterbahnfahrten gekannt wird. Eine Mercedes G-Klasse klettert auf acht Meter eine 100 Prozent steiles, spezielles Riffelblech hinauf. Oben angekommen, geht’s über eine Art Kippwaage zur anderen Seite fast senkrecht wieder hinab. Doch der serienmäßig hergestellte Offroader schafft das locker und leicht. „Das Gewicht der Mitfahrer muss der Fahrer vorher allerdings gut austariert haben“, meint Peter Scheiber, Mitarbeiter vom Autohaus Weippert. Das Fahrtgeld von zwei Euro wird gespendet an die Kindernothilfe.
Hoch hinaus II: Hoch hinaus muss schließlich auch Gans Ruth beim Zirkus Liberta: Über eine Wasserrutsche schießt sie hinab, um zu guter Letzt ein Bad in der Vogeltränke zu nehmen. Seit 33 Jahren Zirkusdirektor und „Dompteur“ in Personalunion, ist der Mann, der sich nur Dieter nennt, zum dritten Mal vom HGH für die Gewerbe open engagiert worden. „Ich arbeite mit den Tieren auf mehr oder weniger absolut freiwilliger Basis“, lässt er sein verblüfftes Publikum wissen. Aus dem Allgäu mitgebracht in seiner kunterbunten Hühnerstall-Flotte hat er „ungefähr 80“ Haustiere: Das Schwäbisch-Hällische Schwein Rosa von Schwarte zum Beispiel – das aber gar keinen Auftritt hat und stattdessen lieber am Rande der Zirkuswiese grast. Dann sind da die Hunde Molly und Zorrocund die Katze Paolo, die durch ein Zeitungspapier springt. Laut Guinness- Buch handelt es sich um den kleinsten Zirkus der Welt. Hauptdarsteller neben Dieter, Ruth und Paolo ist Graf Hahn von Hahn. Den hypnotisiert der Meister, sodass er sich auf den Rücken legt. „Und krähen auf Kommando tut er auch noch – so Gott will.“ Die Kinder und Erwachsenen jedenfalls sind beeindruckt – und restlos begeistert.
Zufriedenes Fazit. Als Erfolg verbuchen konnte Lennart Leibfried am Sonntagabend seine erste Gewerbe open als Vorsitzender des HGH: „Die Aussteller sind zufrieden. Die lukrativeren Geschäfte wurden dabei wohl am Samstag gemacht, der Sonntag war eher ein Ausflugtag für die ganze Familie.“
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